23. September 2020
Chorprojekte 2020 – warum sie nicht wie geplant stattfinden können
Die Chorprojekte des Chorbüros laden versierte Laiensänger/innen zu einem exklusiven Chorerlebnis ein: nach selbständiger Vorbereitung des Notentextes erarbeiten sie im Projektchor ein anspruchsvolles Programm und präsentieren es in einem lockeren Konzertformat. Das Ganze passiert innerhalb eines Chorwochenendes mit vorausgehender Leseprobe.
Nach der großen positiven Resonanz des ersten Chorprojekts habe ich hochmotiviert (trotz Corona-bedingter Verschiebung und letztendlicher Absage) zwei weitere Chorprojekte entwickelt. Ich habe sogar alle Originalnoten bestellt, damit ich sofort handeln kann, sobald es wieder losgehen darf. Das war im Mai, als ich noch voller Zuversicht war, dass das eine oder andere Chorprojekt bis zum Ende des Jahres stattfinden wird.
Die Realität hat mich anderes gelehrt.
Ich bekomme immer wieder Anfragen von interessierten Sänger/innen. Sie möchten gern wissen, ob, wann und wo die Chorprojekte stattfinden sollen, wann sie sich anmelden können, etc.
Das freut und berührt mich sehr, auch wenn ich bisher leider keine einzige dieser Anfragen eindeutig beantworten konnte. Denn die Bedingungen, unter denen man in NRW gemeinsam singen darf, erschweren die Organisation von jeglichen Choraktivitäten enorm. Dafür habe ich einerseits Verständnis, denn Gesundheit geht selbstverständlich immer vor.
Andererseits bedeuten diese Bedingungen für mich de facto immer noch ein Berufsverbot (und das seit März), mit dem ich einigermaßen gut umgehen könnte, wenn meine Existenz gesichert wäre. Das ist sie leider nicht. Als Kulturschaffende im Land der Dichter und Denker habe ich verstärkt das Gefühl, mich ganz hinten anstellen zu müssen. Dieses Gefühl wandert von einer gesunden Annahme (oder vielleicht eher Resignation) bis hin zu einem kaum ertragbaren Widerstand und großer Verzweiflung.
An dieser Stelle könnte ich einiges zum Thema Staatshilfen und politische Ignoranz von Solo-Selbständigen schreiben, aber das würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Wen die prekäre Lage der gesamten Veranstaltungsbranche interessiert, kann unter #nightoflight und #alarmstuferot mehr über aktuelle Aktionen und Unterstützungsmöglichkeiten erfahren.
Zurück zum Thema Chorprojekte:
Was heißt es konkret, ein Chorprojekt unter den aktuellen Hygiene-Schutz-Verordnungen zu organisieren?
Nach fast sechs Monaten Corona meine ich zumindest diese Frage konkret beantworten zu können: Es heißt vor allem ein immenses Ausdauervermögen zu besitzen. Es heißt, viel Lebenszeit und Energie in etwas zu investieren, das am Ende eventuell gar nicht stattfinden kann. Die Gründe dafür sind für mich teilweise sehr gut und teilweise gar nicht nachvollziehbar:
- Die Hygiene- und Infektionsschutzstandards des Landes NRW ändern sich mindestens einmal im Monat. Entsprechend oft muss auch das Hygiene-Konzept des Chorbüros überprüft und ggf. aktualisiert werden;
- Die vorgegebenen Mindestabstände beim Singen (3 m seitlich, 4 m in Ausstoßrichtung, 10 qm pro Person; ab dem 01.09. 20 – „nur noch“ 2 m in allen Richtungen und 7 qm pro Person) erfordern einen zwischen 200 qm und 400 qm großen Raum (je nach Schnitt) bei einer Teilnehmerzahl von 16 (am Beispiel des ersten Chorprojekts). Nur als Vergleich: vor Corona hätten 30 – 50 qm gereicht. Man bräuchte also einen um fast zehnfach größeren Raum. Diesen in Düsseldorf erstmal zu finden, ist aktuell fast unmöglich, denn:
- Weder Kirchen, noch Schulen oder AWO-Zentren dürfen aktuell Ihre Räumlichkeiten extern vermieten. Wenn dies erlaubt gewesen wäre, und es tatsächlich einen verfügbaren Raum in dieser Größe gegeben hätte, wäre der Preis vermutlich so teuer, dass ich den Raum trotzdem hätte nicht anmieten können. Hätte ich dennoch irgendwie die ersten drei Hürden überwunden, würde ich vor der nächsten Herausforderung stehen und zwar:
- Für eine öffentliche Veranstaltung (in unserem Fall ein Konzert am Ende des Chorprojekts) wäre ich verpflichtet, dem Gesundheitsamt ein Hygiene-Konzept für die Veranstaltung zur Überprüfung vorzulegen. Diese kann nach Aussage des Chorverbandes NRW ein paar Tage bis mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Es heißt also, dass eine eventuelle Genehmigung ggf. erst nach dem geplanten Auftrittsdatum eintreffen könnte. Alternativ könnte ich versuchen, die Chorprojekte ein paar Monate im Voraus zu planen und würde wieder bei Punkt 3, 2 oder 1 landen. Denn niemand weiß, welche Regelungen in zwei Wochen, einem oder zwei Monaten gültig sein werden.
Auf der Seite des Chorverbands NRW findet man eine überschaubare Zusammenfassung aller noch zusätzlich zu beachtenden Regeln bei öffentlichen Veranstaltungen.
Deshalb habe ich nach ca. 20 Raum-Absagen beschlossen, alle Chorprojekte zunächst auf 2021 zu verschieben. Dafür wird es in diesem Jahr ein alternatives Format geben, und zwar die Reading Session. Was dieses Format auf sich hat und wie Sie sich dafür anmelden, erfahren Sie hier.